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alvin lucier 59:31

distant drums 15:24
silver streetcar for the orchestra 17:29
the sacred fox 4:24
opera with objects 11:16
nothing is real 10:31

matthias kaul: percussion, voice and piano

Co-Produktion mit dem Hessischen Rundfunk
© + ® 2003 WERGO, a division of SCHOTT MUSIC & MEDIA GmbH, Mainz, Germany
WERGO ¦ Postfach 36 40 - 55026 Mainz ¦ Germany / Manufactured in Austria ¦ Printed in Germany
Eine ausführliche Information liegt bei. Detailed information enclosed.

 

Musiktexte 99 (2003)

von Ludolf Baucke

Neue CDs mit Werken von Christian Wolff und Alvin Lucier

Umgangssprachlich war die Sache ganz einfach. Die Chemie stimmte, als sich der Geiger Malcolm Goldstein und der Schlagzeuger Matthias Kaul im Frankfurter Hauptbahnhof in einer Milchbar trafen und einige Performances vereinbarten. Sie konnten auf seelenverwandte Inspirationen hoffen und kannten die hellhörige Interaktion als Movens des aus dem Augenblick kommenden, aber gleichwohl von unabhängiger Selbstdisziplin gespeisten Musizierens. Die von Christian Wolff in seiner Sammlung "For 1, 2 or 3 People" karg notierten und klanglich vom Aufeinanderreagieren der  Interpreten lebenden Spielanweisungen kamen Goldstein und Kaul gerade recht. Sie erprobten und realisierten Wolffs 1964 konzipierte zehnteilige Sammlung in zwei Aufnahmesitzungen. Die von Wergo in Co- Produktion mit dem Hessischen Rundfunk veröffentlichte CD hat das von denkwürdiger Konzentration gezeichnete Zusammenspiel gespeichert und als ein von persönlichen Vorlieben befreites Netzwerk dokumentiert. Schon der erste Track für Violine und Schlagzeug lässt aufhorchen. Unmittelbar nach einem den Augenblick akzentuierten Einsatz des Schlagzeugs setzt ein langgezogener, in seiner Fahlheit leicht brüchig anmutender Geigenton ein, der als ausgeprägter Kontrast gewissermaßen eine Gegenwelt zur Perkussion andeutet. Zu keinem Moment allerdings lassen sich Goldstein und Kaul hetzen. Sie nehmen sich Zeit, kosten die Polaritäten ihres Instumentariums behutsam aus und animieren so zum konzentrierten Hinhören. Daß sich das Zusammenspiel des Duos ganz organisch entwickelt, wird nicht zuletzt aus dem Schluß des ersten Stücks deutlich. Zwei fast nur angedeutete Klangpunkte fungieren da nicht als vorlautes, doch unüberhörbares Satzzeichen. Das Duo Goldstein-Kaul beschränkt sich nicht auf das Zusammenspiel von Violine und Schlagzeug, sondern jeder für sich erweitert die Klangproduktion. Vorzugsweise geschieht das in Richtung Stimme. Zweimal hantiert der Schlagzeuger an einer Drehleier, und das achte Stück begnügt sich mit einer Stimme und beiden Körpern. Immer wieder wird aus Ton- und Geräuschfäden ein Klangnetz gesponnen, und ganz selbstverständlich werden erregte Vibrationen ganz entgegengesetzt charakterisierten Phasen größter Ruhe gegenübergestellt. Spannend zu hören ist das allemal - auch dann, wenn in der auf Wolffs "Edges" basierenden finalen Performance Erinnerungen an das von Matthias Kaul mehrfach bereiste Afrika anklingen. Bleibt dreierlei anzumerken.

 Erstens: Der Editionstitel "Bread and Roses" ist der Titel eines Lieds von Carol Kohlsaat, das 1912 anläßlich eines Weberstreiks in Lawrence / Massachusetts entstand und gesungen wurde. Christian Wolffs 1976 entstandene Komposition für Solovioline zitiert das Lied, fragmentiert die Melodie und montiert sie anschließend in weitem Bezug zur herkömmlichen Variationstechnik so, daß immer wieder die Schlichtheit des Themas durchtönt. Der Komponist präsentiert sich als Melodiker.

 Zweitens: Die Wergo -Edition wurde soeben in die vierteljährlich vom "Preis der deutschen Schallplattenkritik" zusammengestellte Bestenliste aufgenommen.

Drittens: Der von Matthias Kaul gleichsam als Pendant zum gegeigten“ Bread and Roses“ aufgenommene "Snare Drum Peace March 2, Exercise 27" ist ein Musterbeispiel für Mehrschichtigkeit. Polyrhythmisches Trommeln und Pfeifen loten das Spannungsfeld zwischen dem militärischen Bezug der kleinen Trommel und ihrem zumindest angedachten Gegensatz so feinfühlig aus, daß Peter Niklas Wilson in seinem Booklettext sogar einen sensorischen Anti-Militarismus andenkt.

"Immer wieder entdecke ich, daß ich alle musikalischen Gesten aus einem Werk entfernen muß, um die wirkliche Idee eines Stücks freizulegen." Der 1931 in Nashua, New Hampshire geborene Alvin. Lucier hat sich in seinem Werk radikal auf Gegenständen, Räumen und Situationen innewohnenden Klangmaterialien konzentriert. Matthias Kaul spürt als universeller Musiker den Resonanzen der von Lucier in fünf Werken geforderten Dingen nach und läßt diese als Gebilde höchster Intensität klingen. Entstanden sind in den wiederum vom Hessischen Rundfunk unterstützten Aufnahmesitzungen hochkarätige Hörexerzitien, die selbst alltäglichste Materialien in Resourcen ungeahnter Entdeckungen verwandeln. Zwei Bleistifte etwa werden in ,Opera with Objects' gegeneinander geschlagen, wobei der Klang des angeschlagenen Stifts durch wechselnde Resonanzkörper (Pappschachtel, Plastiktasse, Marmeladenglas) gefärbt und verstärkt wird. ,Silver Streetcar for the Orchestra' konzentriert sich in gut siebzehn Minuten ausschließlich auf den unaufhörlichen Pulsschlag eines Triangels. Aus Matthias Kauls behutsamen Anschlagsnuancen aber entsteht zusammen mit sensibelster Aufnahmetechnik ein Kosmos klingenden und schwingenden Metalls. Alvin Luciers ,no ideas but in things' hätte nicht mustergültiger verwirklicht werden können.

Gleiches trifft zu, wenn Kaul in den einleitenden "Distant Drums" frei im Raum aufgestellte Perkussionsinstrumente durch direkt angeschlagene kleinere Instrumente (Glocken, Talking Drum, Temple Block) mitschwingen läßt und zum Klingen bringt. Nachhall wird dabei eins mit Nachhaltigkeit. Luciers Kornpositionen sind mehr als bloße Versuchsanordnungen, doch auf spielerisches Entdecken können sie nicht verzichten. Matthias Kaul kombiniert Spieltrieb und Besessenheit nicht nur dann, wenn er im kurzweiligen "The Sacred Fox" Silben aus den drei Buchstaben K, N und 0 durch Kannen, Schläuche und Schüsseln treibt. Sein Finale projiziert Klavierklänge aus dem übergroßen Resonanzraum des Konzertflügels in den am Boden einer Teekanne befestigten Miniaturlautsprecher. Die schon im Klavierhall überformten Melodiefragmente des Beatlesongs "Strawberry Fields Forever" gewinnen ungewohnte Konturen, wenn der Deckel der Teekanne gehoben oder gesenkt wird. Klangwirklichkeit verwandelt sich in rätselhafte Poesie. Oder sollte der Vorgang andersrum ablaufen? "Nothing is real..." Christian Wolff. Bread and Roses. Malcolm Goldstein (Violine, Stimme), Matthias Kaul (Percussion, Stimme, Drehleier). Wergo 6658-2).

 Alvin Lucier Nothing is real  ... Matthias Kaul (Percussion, Stimme und Piano). Wergo 666o-2).

Musiktexte 99

(2003) Ludolf Baucke

Hendrix

sound example 11:21
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