Konzert Kritik: Pforzheimer Kurier, 2000

"Ich klopfe einfach gegen alles"
Der Schlagzeuger Matthias Kaul gastiert in der Aula der FH.
Matthias Kaul kratzte mit den Fingern langsam über eine flache Trommel. Die Finger wurden schneller, die Töne heller, als wuselten und krabbelten tausende von Insekten durch herbstliches Laub. Dann stellte er eine Plastikflasche auf eine andere Trommel, ließ sie hin, und her wippen, bis der Rhythmus schneller wurde, immer schneller und der Klang schließlich versiegte. Er beschleunigte das Hinterrad eines aufgebockten Fahrrades und übertrug die Schwingungen mit Hilfe eines Bogens auf eine große Basstrommel, und es klang, als ob der Wind eines aufkommenden Gewitters durch die Bäume fegte oder eine U-Bahn in einen Bahnhof einbremste. Die Verbilderung des Klangs: mal deutlicher, mal schwächer riefen seine Stücke fast zwangsläufig einen interpretativen Bilderreichtum im Zuhörer hervor. Auch in dem Stück "Mazza", in dem er den Besuch in einem exotischen Restaurant thematisiert, und die unterschiedlichen Reaktionen des Gastes auf ihm unbekannte Speisen: die Vertonung des Geschmacks, die Anwendung der Sinne auf sich selbst. Ein ganzes Arsenal verschiedenster Gegenstände und Schlaginstrumente hatte Kaul in der Aula der Fachhochschule am Mittwochabend aufgebaut, mehrere Trommeln, unterschiedliche Gefäße, Steine, Becken, Kuhglocken, übergroße Schrauben. Und natürlich sein aufgebocktes Fahrrad; ein wahres Klangwunder, wenn er mit Stöcken zwischen den Speichen trommelte oder komplexe Melodienläufe erzeugte, indem er Rahmen und Speichen mit einem Geigenbogen zum Schwingen brachte. Bilderreich, kreativ, abseits bekannter Klänge, so lässt sich der Auftritt zusammenfassen. Aber wie kommt man als ehemaliger Jazz- und Rockschlagzeuger auf solche Ideen? "Ich klopfe einfach gegen alles, um auszuprobieren wie es klingt", sagte der 51-jährige Hamburger. "Und wer hat nicht als Kind irgendwann einen Stock zwischen die Speichen eines Rades gehalten." Sind seine Stücke komponiert oder improvisiert? Es gebe Fahrpläne, antwortete Kaul. Das bedeutet, der Ablauf der Stücke ist zwar fast immer identisch. Gleichzeitig passt er sie jedoch den Räumen an, in denen er sie aufführt. "Manchmal entdecke ich in einem Raum einen neuen Ton", beschrieb Kaul seine Arbeitsweise, "den baue ich dann natürlich aus und die Stücke werden entsprechend länger." Kaul arbeitete mit namhaften Musikern und Kom- ponisten wie John Zorn, John Cage, Carla Bley oder Malcolm Goldstein und komponierte zahlreiche Film-, Theater- und Hörspielproduktionen.
Harald Bott Pforzheimer Kurier

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