CD Kritik: Neu Zeitschrift für Musik, Januar 2000

MATTHIAS KAUL Solopercussion.
Man kennt Matthias Kaul seit Jahrzehnten als Schlagzeug-Seele des ehemals Hamburger, nun (aus Frust über das laue Interesse der Hanseaten) nordniedersächsischen Ensembles L'art pour L'art. Des klassischen Schlagzeugens Müde, das Vinko Globokar vor zehn Jahren als «Badabum» einstufte, um Perkussionisten zum kreativen «Anti- Badabum» anzustacheln (also keine Schlagzeug-Maschine zu sein, sondern offenen Sinnes auszuforschen, was in der Batteria an Eigenleben steckt), suchte Kaul nach dem Abschluss seines ordentlichen Studiums immer wieder «das Andere», das ihm schon als Kind an der elterlichen Haustür in Gestalt wunderhübscher Zigeunermädchen begegnet war. Der Warnung seiner Mutter trotzend, sich mit «solchen Leuten» nicht abzugeben, zog es den ehernaligen Rock- und Jazzdrummer nicht ins Sinfonicorchester, sondern in ferne Länder, zu fremden Völkern. Er ließ sich mit Afrikanern und Asiaten, Sinti und Roma, Cage und Kagel, Hespos und Henze, Globokar und Goldstein, zuletzt mit dem Japaner Jo Kondo und dem Amerikaner James Tenney ein.. Kaul kennt keine Kordons. Er ist der Mann mit der Stirnlarnpe, der im Abraum der Hochkultur nach Goldstaub scharrt. Dass der Geburtshelfer offener Konzept-Partituren sich nicht nur an fremden Ideen verausgaben möchte, sondern sich zu eigener Ur- heberschaft vorwagt, liegt auf der Hand. Hier ist es nun, das perkussive Selbstporträt. Matthias Kaul im eigenen Spiegel. Kaul als -do it yourselfer-, der ein Berimbao (brasilianischer Musikbogen mit Kürbis als Resonanzkörper) benutzt, die Vibrationen eines Fahrrad-Rads auf den Resonanzraurn von Trommeln zu übertragen. Dazu erzeugt er jene Obertöne, die ihn schon als Kind bein, Fahrradfahren urnsäuselten. Durchgehend bringt Kaul seine Stimme als Klangfarbe mit ins Ton- spiel. Lautgebungen nicht nur englischer (poetische Fragmente von Jimi Hendrix) und deutscher Texte, auch in Zigeunersprache und Suaheli finden sich allenthalben. Die fünf Stücke der spannenden, vorn Saarländischen Rundfunk aufge- zeichneten CD führen den Hörer in ein fast übermütiges Pan-Akustikurn Kaul'scher Weltgründung, die das banale Crossover so manchesEthno-Wellenreiters Lügen straft.
Lutz Lesle NEUE ZEITSCHRIFT FÜR MUSIK

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