Das Münchner Opernfestival und der Jazz

Schlagzeuger Matthias Kaul nimmt ein elektrisches Klangbad im Cuvilliés-Theater

Brotzeit und Champagnerflaschen, Wolldecken und Abendkleider: bei „Oper für alle“ verwandelte sich der Max Joseph Platz wieder einmal in ein Open-Air-Kino der besonderen Art. Händels „Cäsar in Ägypten“ wurde live aus dem Nationaltheater via Groß-Videoleinwand übertragen. Doch nicht nur bei diesem Event drängelte sich das Publikum: Von insgesamt 19 Musiktheaterproduktionen von Barock bis Neuzeit waren die meisten ausverkauft. Trotz Haushaltssperre entfalteten die Münchener Opernfestspiele wieder ihren Glanz – wen wundert‘s: der Geldgeber ist ja nicht die Stadt, sondern der Freistaat.

Eher im Schatten dieser Prachtentfaltung, an den Festivalrändern gewissermaßen, gab es wieder die experimentelle Veranstaltungsreihe Festspiel + (wie plus). Von 13 Konzerten waren immerhin 5 dem Jazz gewidmet: improvisierter Musik von Jan Garbarek, Evan Parker, Gonzalo Rubalcaba, Pierre Favre, Uri Caine und Matthias Kaul.

Im Rahmen der Münchner Opernfestspiele nimmt Matthias Kaul ein Bad. Foto: Heiland

Schlagzeuger Matthias Kaul (siehe Foto oben links) war zweifelsfrei der experimentierfreudigste unter den genannten Improvisatoren: Vor einem kleinen Kreis von Zuhörern, die sich mehrheitlich gut amüsierten, nahm er mitten auf der Bühne des Cuvilliés-Theaters ein „Electric Bath“. Gekleidet in Frack und Fliege zelebrierte Kaul mit valentineskem Ernst ein einstündiges elektronisches Klangbad. Kalebassen, Schläuche, Flaschen, Wassertropfen, Schläge, Kratz- und Schabgeräusche auf und in der Emailwanne gehörten zu seinem unerschöpflich wirkenden Fundus von verfremdeten Klangerzeugern und Wasserinstrumenten. „Electric Bath“ war auch eine Reise zurück in die Kindheit: Wer hat nicht selbst einmal mit ähnlichen „Instrumenten“ in der Badewanne kreativ gearbeitet. Mikrofone unter und über Wasser machten bekannte und neue Sounds hörbar, verfremdeten sie aber auch. Das Ritual des Badens, des Waschens verwandelte Kaul in ein Ritual eines Konzertabends. War auch die „Herstellung“ der Geräusche, Töne, Rhythmen unkonventionell: Kaul entlockte seinem Zuber nichts wirklich Neues. Das Geräusch gehört spätestens seit der Musique concrète zum Repertoire der Komponisten, nimmt man es genau, dann steht Kauls Musik in einer jahrhundertealten Tradition von Wassermusiken. Kauls Verdienst lag in seiner virtuosen solistischen und schauspielerischen Darbietung: die einstündige Steigerungsdramaturgie seiner „Badewannensymphonie“ überzeugte, und man mochte sich ihr auch als abgeklärter, mit allen Wassern gewaschener Hörer nicht entziehen.

In einem ganz anderen Terrain bewegte sich da Saxophonist Evan Parker, der im Akademietheater im Prinzregententheater eine Gesamtschau seines, aus der Tradition von John Coltrane und Albert Ayler entwickelten expressiven Solospieles darbot. Mit Hilfe von Zirkularatmung erzeugte Parker jene ausgedehnten, einzigartigen Klanglandschaften, für die er so berühmt ist. Neu war die Konfrontation seiner Klangwelt mit den Saxophon-Kompositionen von Giacinto Scelsi und Giorgio Netti. Diese interpretierte Marcus Weiss, ein aus Basel stammender Vertreter einer jüngeren Musikergeneration, für die neue Musik und die Fähigkeit zu kreativer Improvisation sich nicht länger ausschließen. Unkonventionell auch eine virtuose Duoimprovisation der beiden sehr verschieden agierenden und klingenden Musiker.

Andreas Kolb

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